Nur noch knapp 2 Wochen, dann könnt ihr Skybridge endlich ausprobieren! Wir nutzen den Anlass und schauen noch einmal auf den langen Weg zurück, den dieses Spiel zurück gelegt hat. Das Autorenteam Franz Vohwinkel und Michael Rieneck nehmen uns mit auf die Entwicklung von Skybridge!
Franz:
„Illustrationen für drei 1000-Teile Puzzles für eine neue Reihe von Puzzles mit Fantasy-Motiven.“ Das war der Auftrag, der im Herbst 2010 zur Entstehung der Skybridge führte.
Es gab darüber hinaus keinerlei Vorgaben vom Verlag, also musste ich mir etwas einfallen lassen – Drachen. Klar, Fantasy, da müssen Drachen dabei sein. Aber dann? Es sollte etwas anderes werden, als das übliche Fantasy Klischee mit Schwertschwingenden Helden und zu rettenden Prinzessinnen vor Neuschwanstein-Kulisse. Statt drei voneinander unabhängige Motive zu entwickeln, wollte ich mir zudem eine kleine, kurze Geschichte ausdenken, die die drei Puzzles miteinander verbinden sollte.
Also, was ist cool? Eine Hohlwelt. Hohlwelten fand ich schon immer faszinierend. Was noch? Einen mächtigen Turm, wie beim Turmbau zu Babel. Zusammen mit Drachen könnte das spannend werden. Warum der Turm gebaut wird? Na ja, wie eigentlich überall bei großen Monumentalbauten, um näher an Gott zu kommen. Das passt aber irgendwie nicht so recht zu einer Hohlwelt, denn im Himmel ist ja nur die andere Seite der Welt zu sehen. Der Himmel über Thraen ist endlich. Es fehlte etwas, für das es sich lohnt, solch einen Turm zu bauen.
Dann kam mir eine Idee: In der Mitte der Hohlwelt schwebt ein kleiner Planet, ein Mond! Und wie wäre es, wenn die Rollen vertauscht wären? Wenn nicht der Mond, sondern die Hohlwelt eine trockene, karge Welt wäre, in der die Menschen ständig um ihr Überleben kämpfen müssen, während die Welt in der Mitte üppig, grün und fruchtbar wäre? Ein sichtbares, reales Paradies, direkt vor den Augen der gesamten Menschheit?
Wäre das nicht genug Motivation, um einen gewaltigen Turm in den Himmel zu bauen, der eine Brücke zwischen den Welten bildet? Eine Weltenbrücke? Eine Skybridge?
Somit hatte ich meine kleine Geschichte für die Puzzles gefunden: Teil 1 – Der Bau der Brücke beginnt;
Teil 2 – Die Brücke ist zur Hälfte gebaut, die Schwerkraft kippt; Teil 3 – Die Brücke ist fertig, die Menschen beider Welten treffen sich.



Die Puzzles wurden produziert und veröffentlicht, waren aber, soweit ich weiß, kein großer Erfolg: Die Puzzle-Serie wurde jedenfalls nicht weitergeführt.
Damit wäre die Skybridge und ihre Welten normalerweise in Vergessenheit geraten – wenn da nicht diese Drucke gewesen wären.
Ich hatte vom Verlag Drucke der Puzzles aus der Produktion bekommen. Stabile Drucke auf richtig dickem Karton in Postergröße, noch nicht in einzelne Puzzleteile gestanzt. Diese Drucke hatte ich in der folgenden Zeit auf Cons, Turnieren und Spielveranstaltungen ausgestellt und verkauft. Meine kleine Geschichte über die Skybridge hat die Besucher immer wieder neugierig gemacht.
„Where can I read something about it?“, war eine Frage, die mir oft gestellt wurde und die ich stets mit „Sorry, I’m an artist, man. I can’t write.“ beantworten musste.

Emerald City Comic Con, Seattle, 2014

GenCon, Indianapolis, 2015
Mit der Zeit hat mich das aber doch gewurmt. Stimmte es denn, dass ich nicht schreiben kann? Ich hatte es schließlich seit meiner Schulzeit nicht mehr versucht. Also habe ich mich irgendwann in 2011 an einem Intro probiert. Ich konnte hinterher nicht sagen, ob das Ergebnis gut oder schlecht war, aber eines war mir klar geworden: Schreiben macht mir richtig Spaß.
In den folgenden Jahren wuchsen die Geschichte und die Welten der Skybridge dramatisch an. Es wurde deutlich, dass eine Kurzgeschichte nicht ausreichen würde, um den komplexen Zusammenhängen gerecht zu werden. Je mehr ich Thraen, den Augenstern und die Weltenbrücke erforschte, desto mehr Fragen mussten beantwortet werden. Eine dreiteilige Gliederung bot sich erneut an: Wie kommt es zum Bau der Brücke, nachdem es tausende von Tausendtagen lang niemand gewagt hatte? Was geschieht beim Bau einer solchen Brücke, wenn die Schwerkraft dabei konstant abnimmt und schließlich auf die andere Seite kippt?
Und was würde passieren, wenn die Weltenbrücke fertiggestellt ist, und das Paradies plötzlich für die Menschheit erreichbar wird?
Ich wäre ein seltsamer Spieleillustrator, wenn sich mir unterwegs nicht auch die Frage gestellt hätte, ob hier nicht irgendwo ein Spiel in der Geschichte steckt. Leider gibt es einen guten Grund, weshalb ich Illustrator geworden bin: Die Mathematik und ich standen schon immer auf Kriegsfuß miteinander. Spiele brauchen aber Mathematik für ihre Mechaniken wie Spieler die Spielregeln. Mir war klar, dass ich denkbar ungeeignet bin, um ein Spiel zu entwickeln.
Doch dann traf ich, es muss 2013 gewesen sein, auf einer Party während der Spiel in Essen jemanden, der alle Probleme, die ein Spiel zu einer existierenden Story mit sich bringt, lösen kann: Michael Rieneck.
Ich hatte bereits Spiele von ihm gestaltet, kannte ihn persönlich aber nur flüchtig. Als wir ins Gespräch kamen, nahm ich all meinen Mut zusammen und erzählte ihm schließlich von der Skybridge. Dann habe ich ihn gefragt, ob er sich vorstellen könnte, ein Spiel zu einem unveröffentlichten Buch zu entwerfen …
Michael:
… Es gibt Tage, an die man sich noch viele Jahre später erinnert. Und damit meine ich nichts Konkretes, wie das Wetter oder das entsprechende Datum. Ich meine das Gefühl, das dieser Tag in einem ausgelöst hat. Eine Art Ahnung, dass dieser Tag etwas verändern würde. Und dass das Erlebte noch lange nachwirken wird. Wie lange, das habe ich damals im Herbst 2013 noch nicht ahnen können …
Franz Vohwinkel hat mich eben gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ein Spiel zu einer Geschichte zu entwickeln, die ihn seit längerem beschäftigt und zu der er beabsichtigt, ein Buch zu schreiben. Das muss ich erstmal einen Moment sortieren und sacken lassen. Ich habe schon öfter mit Buchvorlagen gearbeitet und weiß das sehr zu schätzen. Zum einen liefern Bücher in aller Regel tolle Geschichten und sorgen dafür, dass man sich kein – meist aufgesetztes – Thema mehr für das Spiel suchen muss. Außerdem bieten sie mir gleich zu Beginn des Projektes einen roten Faden für die Entwicklung des Spiels.
Aber ein Buch, das es noch gar nicht gibt? Das scheint mir doch etwas skurril. Zweifel kommen trotzdem keine. Wenn ein erfahrener Spielillustrator wie Franz Vohwinkel sich eine Geschichte ausdenkt, dann ist das sicher etwas sehr Fantasievolles, das genügend Ansatzpunkte für eine Spielidee geben sollte. Ich weiß noch gar nicht, worum es in dem Buch gehen soll, aber ich kenne meine Antwort schon: „Klar, kann ich mir das vorstellen.“
Und damit beginnt eine sehr lange Reise in eine fremde, epische Welt, die vor meinem geistigen Auge seit diesem Tag immer konkretere Formen annimmt und mich immer weiter in ihren Bann zieht.
Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wann im Laufe der Jahre mir Franz welches Detail der Geschichte erzählt hat. Aber weil ich ja nichts nachlesen konnte, habe ich ihm im Zuge der gemeinsamen Arbeit diesbezüglich immer wieder unzählige Fragen gestellt und er hat mir geduldig ebenso viele Antworten gegeben. Ein Prozess, der bis heute anhält. Tatsächlich gibt es in Thraen nach wie vor noch viel für mich zu entdecken. Anfangs waren es die großen Themen, die wir besprochen haben und die im Spiel eine Rolle spielen sollten. Die Hohlwelt, der Augenstern, die Bewohner Thraens, die grausame Königin, die Drakhen und die Godheiten. Und das Allerwichtigste, das Bestreben, eine Skybridge zu bauen. „Klasse“, dachte ich, da habe ich schon mal das Spielziel und fühlte mich gleich an den Kathedralenbau bei „Die Säulen der Erde“ erinnert. Der thematische Rahmen war also ziemlich schnell abgesteckt. Und eine Sache war mir auch von Anfang an klar. Franz will seine Geschichte ganz sicher mit opulenten Bildern illustrieren. Große Spielkarten sind zweifellos das beste Medium, um sich künstlerisch austoben zu können. Und natürlich ein großer Spielplan.
Wenn man einen so großen „Auftrag“ annimmt, will man schnell Gewissheit. Fällt mir überhaupt etwas Passendes ein? Schaffe ich es wirklich, ein gutes Skybridge-Spiel zu entwickeln, das die Spieler und allen voran Franz überzeugen kann. Das Projekt ist im Kopf angekommen und da bleibt es dann auch solange, bis man erfolgreich oder endgültig gescheitert ist. Ich habe mich nach unserem Gespräch sehr bald an die Arbeit gemacht und ein kartenbasiertes Brettspiel kreiert, in dem eine Weltenbrücke gebaut wird. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich nur wenige Hauptpersonen der Geschichte. Von einigen Städten und Landschaften Thraens hatte mir Franz auch schon erzählt. Ich erinnere mich noch genau, wie fremdartig mir viele Namen damals vorkamen. Heute sind sie mir längst vertraut und es kommt mir vor, als würde ich sei schon ewig kennen. Doch ich wollte all das zunächst außer Acht lassen und erstmal eine gute Spielmechanik entwickeln, die zum Thema passt und sich später dann mit Leben füllen lässt. Der erste Prototyp war tatsächlich noch vor Weihnachten fertig. Und er fiel krachend durch. Bei meinen Testspielern und auch bei mir selbst. Die zu treffenden Entscheidungen waren langweilig und die Atmosphäre einer epischen Geschichte kam nicht mal ansatzweise am Spieltisch auf. Diesen Prototyp hat Franz gar nicht zu sehen bekommen und auch den zweiten nicht, der ebenfalls ein Desaster war.
Der Anfang war also schon mal gründlich misslungen.

Der Anfang war also schon mal gründlich misslungen. Zudem hatte ich bei den ersten beiden Versuchen eine Erkenntnis gewonnen, die mich zunächst auch eher frustriert hat, sich später aber als Glücksfall herausstellen sollte. Ich hatte die Spieler nämlich ursprünglich ihre eigenen ziemlich umfangreichen Kartenauslagen bilden lassen, die sie auf ihrer Seite des Spielplans sukzessive auslegen sollten. Der dafür benötigte Platz reichte weit über die Normalmaße eines herkömmlichen Spieltisches hinaus. Schnell wurde offensichtlich: Maximal eine Kartenreihe ließe sich an jeder Seite des Spielplans anlegen, mehr nicht, so die nüchterne Feststellung. Es sei denn, wir würden auf sehr kleine Karten ausweichen. Das schien mir bei diesem Projekt, das auch von seinen beeindruckenden Illustrationen leben sollten, aber keine echte Option zu sein. Da kam mir die Idee, die Kartenauslage auf eine Reihe aus
6 Karten zu beschränken, sodass sie bequem an die Seite eines großen Spielplans passten. Wer eine 7. Karte spielt, sollte dann eine bereits ausliegende abdecken müssen. Diese wäre fortan für den Spieler dann nicht mehr nutzbar. Vom Platz passte das wunderbar. Von diesem Moment an sollte jeder Spieler an seiner Seite über 6 Karten-Slots verfügen, die es taktisch klug zu belegen galt. Jede Völkergruppe hatten wir bereits eine Farbe zugeordnet. Sie umfasste 18 Karten, die in separaten Stapel auf dem Spielplan auslagen. Zu Beginn seines Zuges konnte man sich also eine offen ausliegende Karte nehmen und erhielt dazu einen zum jeweiligen Volk passenden Bonus. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch damals schon wurden erst zu Beginn der neuen Runde die obersten Karten der Stapel wieder aufgedeckt. Der aktuelle Startspieler hatte also schon immer die größte Kartenauswahl der aktuellen Runde.
Mithilfe der Karten sollten die für die Spiel benötigten Aktionen gesteuert werden: Beschaffung von technischem Wissen und Rohstoffen für den Bau der Weltenbrücke, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung, der Ausbau militärischer Macht, Intrigen, Orakel, Huldigung der Götter, Nutzen der Drakhen usw. Es gab eine ganze Reihe von unterschiedlichen Aktionen auf den Karten. Viele kamen und gingen oder veränderten sich.
Das Platzproblem war also gelöst, doch das Spiel funktionierte trotzdem nicht. Die Entscheidungen waren leider immer noch ziemlich trivial. Es war viel zu einfach, sich eine gut funktionierende Auslage zu konstruieren. Also wollte ich die Freiheiten bei der Bildung der Kartenauslage einschränken. Das war die „Geburtsstunde“ der Runen. Mit ihrer Hilfe wollte ich die einzelnen Karten an bestimmte Karten-Slots „fesseln“. Wer eine bestimmte Karte spielen wollte, musste sie also an einen konkreten Karten-Slot legen und die dort eventuell bereits ausliegende Karte abdecken. Dies erwies sich schnell als Schritt in die richtige Richtung und ich bat Franz, mir sechs Runen zu gestalten, die auf den Karten und den Slots abgebildet werden konnten. Anfangs waren es tatsächlich noch 6 Runen, doch wie sich herausstellte, waren die Freiheiten immer noch zu groß.

Erst nachdem wir die Slots – und damit auch die Runen – auf fünf begrenzt haben, war das „Slot-Management“ – wie ich es für mich selber nannte – als wesentliche Spielmechanik herausfordernd genug. (Die sechste Rune von damals gibt es übrigens immer noch – zu sehen auf einem Gürtel von Raphis, dem Rebellenführer, und als Tattoo auf dem Hals von Hamises).
Franz:
In der Zwischenzeit hatten Michael und ich die Arbeiten an dem Spiel begonnen und die ersten Elemente, die wir brauchten, waren natürlich die Symbole für die Aktionen, Layouts für die Spielkarten und einen Spielplan.
Michael benötigte für seine Arbeit an dem Spiel mehr und mehr Informationen über Thraen. Mein Fokus lag deswegen während dieser Zeit hauptsächlich auf der Weiterentwicklung Thraens. Obwohl vieles davon bereits schriftlich festgehalten war, musste die Geografie Thraens visualisiert werden. Ich brauchte Landkarten, um die Zusammenhänge der Regionen und ihrer Völker verstehen zu können.
Aus diesen Landkarten entwickelten sich dann auch der Spielplan und die Platzhalter für die Spielkarten.






Der erste spielbare Plan …

… und die ersten Prototypen für die Spiel 2018.
Michael:
Inzwischen war ich mir sicher, den Kernmechanismus des Spiels gefunden zu haben und machte mich an die Arbeit, die Karten mit ihren Funktionen ausgeglichen über die 5 Runen zu verteilen. Dazu stand ich mit Franz in regem Austausch, was denn thematisch überhaupt in jedem Völkerkartenstapel enthalten sein durfte. „Metall und Drakhen gibt es nur bei den Utreng, Salz nur in den Freistädten“ war eine beispielhafte Information, die ich von ihm erhielt. Man kann sich leicht vorstellen, dass thematische Korrektheit und spielerische Notwendigkeit nicht immer Hand in Hand gehen. Und so haben wir manchen Kompromiss geschlossen, aber inzwischen war ich längst von meinem ganz eigenen „Skybridge-Fieber“ erfasst und wollte selbst nicht mehr, dass Dinge im Spiel ganz anders sein würden als in der fiktiven Thraen-Welt. Es war ein anspruchsvolles Puzzle, das wir gemeinsam lösen mussten, aber wir haben es geschafft, die Aktionen stimmig und sinnvoll auf die inzwischen über 100 Völkerkarten zu verteilen.
Franz hatte derweil eine atemberaubende dreidimensionale Weltenbrücke gebastelt, die auf unserm Spielplan thronte. Sie sah wahnsinnig toll aus und ich habe das Bild noch sehr genau vor meinen Augen. Zweifel daran, dass wir für Skybridge einen Verlag finden würden, hat ich spätestens da keine mehr. Doch das war ein schmerzhafter Irrtum. Mittlerweile steckten unzählige Tage, Wochen, Monate und sogar Jahre Arbeit in dem Projekt. Nicht nur was die Entwicklung der Spielidee betrifft, sondern auch hinsichtlich der Gestaltung des Prototyps, der sich dank Franz ganz anders präsentierte, als diejenigen, die ich normalerweise erstelle. Und sollte nun alles umsonst gewesen sein? Für kurze Zeit spielten wir sogar mit dem Gedanken, eine Kickstarter-Kampagne zu starten. Doch am Ende schien uns das Projekt zu groß – so ganz ohne Erfahrung in diesem Bereich. So schwer wir uns auch damit getan haben, mussten wir uns eingestehen, dass wir es wohl doch nicht schaffen würden, die Geschichte der Skybridge in einem Brettspiel abzubilden und andere Entscheidungsträger davon zu überzeugen. An dieser Stelle wäre das Kapitel „Skybridge-Spiel“ wohl zu Ende gewesen. Dann entschlossen sich die Vohwinkels, Anfang 2020 von Seattle nach Eckernförde zu ziehen – knapp 15 Autominuten von meinem zu Hause entfernt.

Weiter geht es am Montag mit Teil 2!